Gedicht | Goethe: Römische Elegien, 1. Elegie

Statuen von Goethe und Schiller (rechts)
Statuen von Goethe und Schiller (rechts)

 

 

Von Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832).

Römische Elegien

1. Elegie

Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Paläste!
Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?
Ja, es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern,
Ewige Roma; nur mir schweiget noch alles so still.

O wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick ich
Einst das holde Geschöpf, das mich versengt und erquickt?
Ahn’ ich die Wege noch nicht, durch die ich immer und immer,
Zu ihr und von ihr zu gehn, opfre die köstliche Zeit?

Noch betracht’ ich Kirch’ und Palast, Ruinen und Säulen,
Wie ein bedächtiger Mann schicklich die Reise benutzt.

Doch bald ist es vorbei; dann wird ein einziger Tempel,
Amors Tempel nur sein, der den Geweihten empfängt.
Eine Welt zwar bist du, o Rom; doch ohne die Liebe
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom.

Statuen von Goethe und Schiller (rechts)
Statuen von Goethe und Schiller (rechts)

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