Gedicht | Schiller: Das Siegesfest

Statuen von Goethe und Schiller (rechts)
Statuen von Goethe und Schiller (rechts)

 

Von Friedrich Schiller (1759 – 1805).

Das Siegesfest

Priams Feste war gesunken,
Troja lag in Schutt und Staub,
Und die Griechen, siegestrunken,
Reich beladen mit dem Raub,
Saßen auf den hohen Schiffen
Längs des Hellespontos Strand,
Auf der frohen Fahrt begriffen
Nach dem schönen Griechenland.
»Stimmet an die frohen Lieder,
Denn dem väterlichen Herd
Sind die Schiffe zugekehrt,
Und zur Heimat geht es wieder.«

Und in langen Reihen, klagend,
Saß der Trojerinnen Schar,
Schmerzvoll an die Brüste schlagend,
Bleich mit aufgelöstem Haar.
In das wilde Fest der Freuden
Mischten sie den Wehgesang,
Weinend um das eigne Leiden
In des Reiches Untergang.
»Lebe wohl, geliebter Boden!
Von der süßen Heimat fern,
Folgen wir dem fremden Herrn,
Ach wie glücklich sind die Toten!«

Und den hohen Göttern zündet
Kalchas jetzt das Opfer an.
Pallas, die die Städte gründet
Und zertrümmert, ruft er an,
Und Neptun, der um die Länder
Seinen Wogengürtel schlingt,
Und den Zeus, den Schreckensender,
Der die Ägis grausend schwingt.
»Ausgestritten, ausgerungen
Ist der lange, schwere Streit,
Ausgefüllt der Kreis der Zeit,
Und die große Stadt bezwungen.«

Atreus‘ Sohn, der Fürst der Scharen,
Übersah der Völker Zahl,
Die mit ihm gezogen waren
Einst in des Skamanders Tal.
Und des Kummers finstre Wolke
Zog sich um des Königs Blick,
Von dem hergeführten Volke
Bracht er wenge nur zurück.
»Drum erhebe frohe Lieder,
Wer die Heimat wiedersieht,
Wem noch frisch das Leben blüht,
Denn nicht alle kehren wieder!«

»Alle nicht, die wiederkehren,
Mögen sich des Heimzugs freun,
An den häuslichen Altären
Kann der Mord bereitet sein.
Mancher fiel durch Freundestücke,
Den die blutge Schlacht verfehlt«,
Sprachs Ulyß mit Warnungsblicke,
Von Athenens Geist beseelt.
»Glücklich, wem der Gattin Treue
Rein und keusch das Haus bewahrt,
Denn das Weib ist falscher Art,
Und die Arge liebt das Neue!«

Und des frisch erkämpften Weibes
Freut sich der Atrid und strickt
Um den Reiz des schönen Leibes
Seine Arme hochbeglückt.
»Böses Werk muß untergehen,
Rache folgt der Freveltat,
Denn gerecht in Himmelshöhen
Waltet des Kroniden Rat!«
»Böses muß mit Bösem enden,
An dem frevelnden Geschlecht
Rächet Zeus das Gastesrecht,
Wägend mit gerechten Händen.«

»Wohl dem Glücklichen mags ziemen«,
Ruft Oileus‘ tapfrer Sohn,
»Die Regierenden zu rühmen
Auf dem hohen Himmelsthron!
Ohne Wahl verteilt die Gaben,
Ohne Billigkeit das Glück,
Denn Patroklus liegt begraben,
Und Thersites kommt zurück!«
»Weil das Glück aus seiner Tonnen
Die Geschicke blind verstreut,
Freue sich und jauchze heut,
Wer das Lebenslos gewonnen!«

»Ja, der Krieg verschlingt die Besten!
Ewig werde dein gedacht,
Bruder, bei der Griechen Festen,
Der ein Turm war in der Schlacht.
Da der Griechen Schiffe brannten,
War in deinem Arm das Heil,
Doch dem Schlauen, Vielgewandten
Ward der schöne Preis zuteil!«
»Friede deinen heilgen Resten!
Nicht der Feind hat dich entrafft,
Ajax fiel durch Ajax‘ Kraft,
Ach, der Zorn verderbt die Besten!«

Dem Erzeuger jetzt, dem großen,
Gießt Neoptolem des Weins:
»Unter allen irdschen Losen,
Hoher Vater, preis ich deins.
Von des Lebens Gütern allen
Ist der Ruhm das höchste doch,
Wenn der Leib in Staub zerfallen,
Lebt der große Name noch.«
»Tapfrer, deines Ruhmes Schimmer
Wird unsterblich sein im Lied;
Denn das irdsche Leben flieht,
Und die Toten dauern immer.«

»Weil des Liedes Stimmen schweigen
Von dem überwundnen Mann,
So will ich für Hektorn zeugen«,
Hub der Sohn des Tydeus an;-
»Der für seine Hausaltäre
Kämpfend, ein Beschirmer fiel –
Krönt den Sieger größre Ehre,
Ehret ihn das schönre Ziel!«
»Der für seine Hausaltäre
Kämpfend sank, ein Schirm und Hort,
Auch in Feindes Munde fort
Lebt ihm seines Namens Ehre.«

Nestor jetzt, der alte Zecher,
Der drei Menschenalter sah,
Reicht den laubumkränzten Becher
Der betränten Hekuba:
»Trink ihn aus, den Trank der Labe,
Und vergiß den großen Schmerz,
Wundervoll ist Bacchus‘ Gabe,
Balsam fürs zerrißne Herz!«
»Trink ihn aus, den Trank der Labe,
Und vergiß den großen Schmerz,
Balsam fürs zerrißne Herz,
Wundervoll ist Bacchus‘ Gabe.«

»Denn auch Niobe, dem schweren
Zorn der Himmlischen ein Ziel,
Kostete die Frucht der Ähren
Und bezwang das Schmerzgefühl.
Denn solang die Lebensquelle
Schäumet an der Lippen Rand,
Ist der Schmerz in Lethes Welle
Tief versenkt und festgebannt!«
»Denn solang die Lebensquelle
An der Lippen Rande schäumt,
Ist der Jammer weggeträumt,
Fortgespült in Lethes Welle.«

Und von ihrem Gott ergriffen,
Hub sich jetzt die Seherin,
Blickte von den hohen Schiffen
Nach dem Rauch der Heimat hin:
»Rauch ist alles irdsche Wesen,
Wie des Dampfes Säule weht,
Schwinden alle Erdengrößen,
Nur die Götter bleiben stet.«
»Um das Roß des Reiters schweben,
Um das Schiff die Sorgen her,
Morgen können wirs nicht mehr,
Darum laßt uns heute leben!«

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